Wenn die Energie fehlt – Wie RED-S Athleten ausbremst
- Pia Brinkmann
- 26. März
- 6 Min. Lesezeit
Viele Athletinnen und Athleten geben alles, um in ihrem Sport erfolgreich zu sein. Doch gerade in Sportarten, in denen Gewicht und Körperkomposition eine große Rolle spielen, kann es passieren, dass die Energiezufuhr nicht mit dem Energieverbrauch übereinstimmt. Das sogenannte Relative Energiedefizit im Sport (RED-S) ist eine ernstzunehmende Problematik, die nicht nur die sportliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die Gesundheit langfristig beeinträchtigen kann. In diesem Artikel erkläre ich, was RED-S genau ist, zeige anhand eines Fallbeispiels aus dem Boxsport die Gefahren auf und stelle Lösungen vor.

Was ist RED-S?
Das Relative Energiedefizit im Sport (RED-S) beschreibt eine unzureichende Energieverfügbarkeit, die physiologische und psychologische Folgen für Athleten hat. Ursprünglich wurde dieses Syndrom unter dem Begriff Female Athlete Triad (TRIAD) definiert, der drei zentrale Gesundheitsprobleme umfasste: geringe Energieverfügbarkeit, Menstruationsstörungen und eine reduzierte Knochendichte. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass RED-S Athleten beider Geschlechter betreffen kann und eine Vielzahl weiterer Gesundheitsaspekte, wie hormonelle Dysbalancen, gestörte Immunfunktionen und mentale Probleme, umfasst.
Ein Energiedefizit kann unbeabsichtigt oder bewusst herbeigeführt werden, beispielsweise durch restriktive Ernährungsweisen, Essstörungen oder unzureichendes Wissen über Sporternährung. Besonders betroffen sind Sportarten, in denen Schlankheit oder Gewichtsklassen eine Rolle spielen – wie Boxen, Ballett oder Ausdauersportarten.
Abgrenzung von LCA und LEA
Im Zusammenhang mit RED-S werden häufig die Begriffe LCA (Low Carbohydrate Availability) und LEA (Low Energy Availability) verwendet. Beide Konzepte beschreiben eine unzureichende Nährstoffversorgung, betreffen jedoch unterschiedliche Aspekte:
LEA (Low Energy Availability) bedeutet, dass nach Abzug des Energieverbrauchs durch Training nicht mehr genügend Energie für lebenswichtige Körperfunktionen übrig bleibt. Die Energieverfügbarkeit gilt als kritisch, wenn sie unter 30 kcal pro Kilogramm fettfreier Körpermasse fällt. LEA kann durch eine insgesamt zu geringe Kalorienzufuhr entstehen oder durch einen sehr hohen Trainingsumfang ohne angepasste Ernährung.
LCA (Low Carbohydrate Availability) bezieht sich speziell auf eine unzureichende Kohlenhydratzufuhr. Selbst wenn die Gesamtenergiezufuhr hoch genug ist, kann ein Mangel an Kohlenhydraten die Leistung beeinträchtigen. Ohne ausreichend gespeichertes Muskelglykogen sinkt die Trainingsintensität, die Erholung wird verzögert und hormonelle sowie immunologische Funktionen werden negativ beeinflusst.
Während LEA ein breiter gefasster Begriff ist, der die gesamte Energieverfügbarkeit betrifft, beschreibt LCA gezielt einen Mangel an Kohlenhydraten. Beide Faktoren können jedoch zur Entstehung von RED-S beitragen und sollten in der Betreuung von Athleten berücksichtigt werden.
Warum führt ein Energiedefizit zu diesen Symptomen?
Der Körper benötigt eine ausreichende Energiezufuhr, um lebenswichtige Prozesse aufrechtzuerhalten und gleichzeitig sportliche Leistungen zu ermöglichen. Kohlenhydrate spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie die bevorzugte Energiequelle für Muskelarbeit und Gehirnfunktion sind. Wird dem Körper über einen längeren Zeitraum zu wenig Energie zugeführt, muss er Prioritäten setzen:
Hormonelle Anpassungen: Um Energie zu sparen, drosselt der Körper die Produktion wichtiger Hormone wie Östrogen, Testosteron und Schilddrüsenhormone. Dies führt zu Zyklusstörungen, verringertem Muskelaufbau und einem verlangsamten Stoffwechsel.
Beeinträchtigte Regeneration: Ohne ausreichend Kohlenhydrate sind die Glykogenspeicher der Muskulatur erschöpft, was zu vorzeitiger Ermüdung und verlangsamter Erholung führt. Zudem werden vermehrt körpereigene Proteine abgebaut, was die Muskelmasse reduziert.
Schwächung des Immunsystems: Ein chronisches Energiedefizit reduziert die Funktion der Immunzellen, wodurch Infektionen häufiger auftreten.
Verminderte Knochengesundheit: Ein Mangel an Energie und Mineralstoffen wie Calcium und Magnesium beeinträchtigt den Knochenstoffwechsel, was das Risiko für Stressfrakturen erhöht.
Mentale Auswirkungen: Das Gehirn benötigt konstant Energie, insbesondere aus Glukose. Ein Energiedefizit kann daher Konzentrationsprobleme, Stimmungsschwankungen und sogar depressive Symptome verursachen.
Ein Energiedefizit ist also weit mehr als nur ein kurzfristiger Leistungsabfall – es kann langfristige gesundheitliche Schäden mit sich bringen.
Fallbeispiel aus dem Boxsport
Lisa, 23 Jahre alt, ist ambitionierte Boxerin. Ihr großes Ziel ist es, in einer bestimmten Gewichtsklasse anzutreten, doch das „Gewichtmachen“ wird für sie zur Belastung. Immer wieder reduziert sie ihre Kalorienzufuhr drastisch, um rechtzeitig vor dem Wettkampf das gewünschte Gewicht zu erreichen. Anfangs scheint alles gut zu funktionieren – sie ist fit, leistungsfähig und fühlt sich stark. Doch mit der Zeit häufen sich Probleme:
Sie fühlt sich oft müde und erschöpft.
Ihre Regeneration nach dem Training dauert deutlich länger.
Sie friert ständig, auch bei normalen Temperaturen.
Ihr Menstruationszyklus bleibt aus.
Kleinste Verletzungen heilen langsamer, und sie leidet unter wiederkehrenden Stressfrakturen.
Trotz dieser Warnsignale fällt es ihr schwer, ihr Essverhalten zu ändern. Der Gedanke, mehr zu essen, ruft in ihr Ängste vor Gewichtszunahme und Leistungseinbußen hervor. Gleichzeitig spürt sie, dass ihre Leistungsfähigkeit sinkt und sich das harte Training zunehmend belastend anfühlt. Der Teufelskreis beginnt: Die Kontrolle über die Kalorienzufuhr wird zu einem ständigen Begleiter.
Lisa zeigt typische Symptome von RED-S, doch leider bleibt das Problem in vielen Vereinen unerkannt. Hier ist professionelle Unterstützung gefragt.
Was kann man gegen RED-S unternehmen?
Eine gezielte Ernährungsberatung durch eine qualifizierte Ernährungstherapeutin kann entscheidend dazu beitragen, dass Athleten wie Lisa aus diesem Kreislauf ausbrechen. Die wichtigsten Maßnahmen sind:
Bewusstseinsbildung: Aufklärung über die Risiken von RED-S in Vereinen, unter Trainern und Athleten.
Individuelle Ernährungsstrategien: Eine Ernährungsfachkraft kann helfen, eine bedarfsgerechte Ernährung zu entwickeln, die sowohl den sportlichen Anforderungen als auch der Gesundheit dient.
Schrittweise Anpassung der Energiezufuhr: Die Erhöhung der Kalorienaufnahme sollte kontrolliert erfolgen, um körperliche und mentale Anpassungsprozesse zu ermöglichen.
Langfristige Betreuung: Eine kontinuierliche Unterstützung stellt sicher, dass sich Essverhalten und Körpergefühl nachhaltig stabilisieren.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Neben der Ernährungsberatung können auch Ärzte, Sportpsychologen und Physiotherapeuten eine wichtige Rolle in der Behandlung spielen.
Mein Angebot
Als Ernährungsfachkraft biete ich speziell auf Sportlerinnen und Sportler zugeschnittene Beratungen an. Mein Angebot umfasst:
Screenings der Athleten mittels validierter Fragebögen, um potenzielle Fälle von RED-S frühzeitig zu erkennen.
Aufklärende Vorträge über Sporternährung, um Vereine, Trainer und Athleten für das Thema zu sensibilisieren.
Individuelle Betreuung der Athleten, sowohl bei Verdacht als auch bei einer bestehenden Diagnose des RED-S-Syndroms.
Vereine, Trainer oder Athleten, die sich für eine Zusammenarbeit interessieren, können mich unverbindlich über meine E-Mail (info@issdichstark.de) kontaktieren. Gemeinsam finden wir einen Weg, wie Leistung und Gesundheit im Einklang bleiben.
Häufig gestellte Fragen
Was sind die Female Athlete Triad (TRIAD) und das Relative Energiedefizit im Sport (RED-S)?
Die Female Athlete Triad (TRIAD) wurde ursprünglich als ein Zusammenspiel von drei zusammenhängenden Problemen bei Sportlerinnen definiert: geringe Energieverfügbarkeit (Low Energy Availability, LEA), geringe Knochenmineraldichte und Menstruationsstörungen. Der Begriff "Relatives Energiedefizit im Sport" (Relative Energy Deficiency in Sport, RED-S) wurde vom Internationalen Olympischen Komitee eingeführt, um zu betonen, dass ein Energiedefizit eine Vielzahl von Gesundheitsbeeinträchtigungen (physiologischer und/oder psychologischer Natur) bei Athleten beider Geschlechter verursachen kann. Da jedoch signifikante anatomische und physiologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen, insbesondere in Bezug auf Hormone, konzentriert sich dieser Artikel auf Frauen und die häufigsten gesundheitlichen Folgen von LEA.
Was ist LEA?
Was ist LCA?
Welche Faktoren tragen zur Entstehung von LEA bei weiblichen Athleten bei?
Welche spezifischen Nährstoffdefizite wurden bei weiblichen Athleten in Bezug auf TRIAD/RED-S festgestellt?
Welche Ernährungsstrategien werden zur Behandlung und Prävention von TRIAD/RED-S bei weiblichen Athleten empfohlen?
Aussicht & Fazit
RED-S ist ein ernstzunehmendes Syndrom, das langfristige gesundheitliche und sportliche Konsequenzen haben kann. Die gute Nachricht: Mit der richtigen Aufklärung und professioneller Unterstützung können betroffene Athletinnen und Athleten wieder zu mehr Energie, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden zurückfinden.
Sportvereine tragen eine große Verantwortung für das Wohl ihrer Sportler. Eine fundierte Ernährungsberatung kann nicht nur die sportliche Leistung optimieren, sondern auch die Gesundheit langfristig schützen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Athleten gesund und stark bleiben!
Quellen:
Grabia, M., Perkowski, J., Socha, K., & Markiewicz-Żukowska, R. (2024). Female Athlete Triad and Relative Energy Deficiency in Sport (REDs): Nutritional Management. Nutrients, 16(3), 359. https://doi.org/10.3390/nu16030359
Lodge, M. T., Ward-Ritacco, C. L., & Melanson, K. J. (2023). Considerations of Low Carbohydrate Availability (LCA) to Relative Energy Deficiency in Sport (RED-S) in Female Endurance Athletes: A Narrative Review. Nutrients, 15(20), 4457. https://doi.org/10.3390/nu15204457
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